"Manchmal kommt man eben doch wie die Jungfrau zum Kinde." So fühlte ich mich zumindest, als ich Pfingstmontag diesen Jahres mit einer Gruppe Aktiven des Kaninchenschutz e.V. einen Notfall mit 37 Kaninchen räumte. Die Tiere wurden nach einer Zwangsversteigerung einfach zurück und damit sich selbst überlassen. Tragende Häsinnen, unkastrierte Rammler mit Syphillis und schweren Bissverletzungen sowie etliche Ratten, die sich die Würfe der ständig nachgedeckten Kaninchenmädels einverleibten, fanden wir dort vor. Kein schönes Bild und man sah sofort: die Tiere brauchten dringend Hilfe!
Eines der Tiere dort hatte es mir besonders angetan: ein kleines, ruhiges, 1200g-schweres Kaninchenmädchen, welches nicht in ein Tierheim weiterreisen musste, sondern ein endgültiges Zuhause bei mir finden sollte. Sie bekam den Namen Sally und zunächst ein Zuhause in einem Quarantänekäfig. Schnell war klar, dass es der kleinen Sally – im Gegensatz zu etlichen anderen Tieren aus diesem Notfall – gesundheitlich erstaunlich gut ging: keine Parasiten, Hefen, Würmer oder ähnliche Gäste, nur einige wenige Bissverletzungen und ein gerupfter Bauch (der darauf hindeutete, dass sie vor kurzem geworfen haben musste). Ansonsten war Sally fit wie der sprichwörtliche Turnschuh und bezog schnell ein eigenes Gehege im Bürozimmer. Der Kontroll-Ultraschall kurz nach dem Einzug ergab: nicht tragend. Glück gehabt, dachte ich mir. Der Kontroll-Ultraschall 1,5 Wochen später ergab:
„Herzlichen Glückwunsch, du wirst Tante!“ Aha, Tante also… Nun gut, ich hatte ja damit rechnen müssen. Der Ultraschall zeigte einen Welpen. Das sollte doch zu schaffen sein (für jemanden wie mich, ohne jegliche Erfahrung in diesem Bereich), dachte ich mir…
So erblickte am 20.06. ein kleines Nilpferd das Licht der Welt. Zunächst sah auch alles gut aus: „Mini“ nahm schön zu, war propper, sauber und rosig. Aber wenige Tage später bemerkte ich: irgendwas stimmte nicht. Mini sah faltig aus, nahm nicht recht zu. Die Rücksprache mit meiner Tierärztin ergab: mit Katzenaufzuchtsmilch zufüttern, engmaschig beobachten. Gesagt, getan! Aber es wurde nicht besser. Mini hinkte in der Entwicklung, nahm eher ab als zu. Wir mussten zum Tierarzt. Der Besuch ergab: Sally hatte eine Entzündung der Gesäugeleiste und Schmerzen und Mini war unterversorgt und dehydriert. Zudem schien sich Mini einen Harnwegsinfekt zugezogen zu haben und wollte mittlerweile gar keine Milch mehr zu sich nehmen. Somit war Sally aus der Milchversorgung raus und ich voll drin.
Die folgenden Tage waren geprägt von Tierarztbesuchen, Sorge, Verzweiflung und schlichtweg Angst vor der Verantwortung meinerseits für dieses kleine Leben. Wir kämpften: Sally, Mini und ich. Und wir gewannen! Der 2h-Rhythmus beim Füttern (auch nachts) und die liebevolle Pflege von Mama Sally (sie konnte Mini einfach besser putzen als ich) sorgten dafür, dass Mini nach einer Woche plötzlich wieder selber anfing zu trinken und die körperliche Entwicklung rasant voranging: die ständig verklebten Augen wurden klar, das Fell wurde seidig und wuchs flächendeckend und die Ohren stellten sich auf. Das Gewicht verdoppelte sich mal so eben nebenbei und Mini fing an, erstes Grün zu fressen und kämpfte mit einem überdimensionalen Breitwegerichblatt. Es war wunderbar zu sehen, wie sich dieses kleine Leben nun so fantastisch entwickelte und in eine gesicherte, liebevolle Zukunft
blicken konnte.
Leider war das Schicksal der kleinen Mini nicht wohlgesonnen: sie erlitt einen EC-Anfall, den ihr kleiner Körper nicht meistern konnte. Mit Hilfe meiner Tierärztin musste ich Mini am 25.07. über die Regenbogenbrücke begleiten. Trotz alle Versuche blieb uns eine Chance auf Besserung verwehrt. Und so traurig es mich immernoch macht: ich bin dankbar, Mini wenigstens ein Stück ihres Lebens begleitet zu haben. Denn auch die Welpen aus Notfällen gehören zum Tierschutz dazu, auch sie haben ein Recht auf Leben und Schutz.
Text und Bilder von Claudia Müller